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Beitrag vom 16.06.2014
Lana Del Rey – Ultraviolence
Christina Mohr
Zwei Jahre nach dem weltweit enorm erfolgreichen Album "Born To Die" ist Elizabeth Woolridge Grant alias Lana Del Rey mit ihrer neuen Platte "Ultraviolence" wieder da. Nicht wenige Leute haben...
...mit Lana Del Rey Probleme, nachzulesen aktuell auf Brian Wilsons Facebook-Seite: als der ehemalige Beach Boy bekannt gab, dass auf seinem neuen Album Duette mit u.a. Zooey Deschanel, Frank Ocean und eben Lana Del Rey zu hören sein werden, posteten mutmaßliche "Alt-Achtundsechziger" höchst unfreundliche Kommentare.
Die Essenz: Brian Wilson macht quasi unantastbar gute Musik, die nicht von einer Lana Del Rey "beschmutzt" werden soll. Wilson verteidigte seine GastsängerInnen und ermahnte seine Fans, sich doch erstmal das fertige Album anzuhören, bevor sie herummeckern. Gut so.
Warum Lana Del Rey bei manchen Menschen einen so schlechten Ruf genießt, darüber kann nur gemutmaßt werden. Vielleicht liegt es an ihrer schläfrig-somnambulen Art zu singen, die auf die einen geheimnisvoll und verführerisch wirkt und auf die anderen schlicht langweilig. Vielleicht ist es ihr Image, das Rätsel aufgibt: Del Reys Auftreten changiert zwischen Hipstamatic-Retro-Attitüde und Gangsta-Liebchen, zwischen Trash und Glamour, zwischen Vergnügungs- und Todessehnsucht. Als Anti-Lady-Gaga wurde sie bezeichnet – ein wenig sinnvoller Begriff, der nichts beschreibt und nur das Bedürfnis von Kritik und KonsumentInnen nach Schubladen demonstriert.
Mit ihrem neuen Album macht die 1986 in New York City geborene Sängerin klar, dass sie ihre ganz eigene Kategorie besetzt – und keineswegs die Eintagsfliege ist, für die sie gehalten wurde. Auf "Ultraviolence" führt sie die traurig-wehmütige, verlorene Stimmung ihrer ersten Hits wie "Video Games" und "Summertime Sadness" auf eine neue Stufe.
Musikalisch stand Del Rey diesmal hauptsächlich Black Keys-Gitarrist Dan Auerbach zur Seite, was bedeutet: mehr Gitarren, weniger billige Synthie-Streicher als auf "Born To Die"; Blues-Anmutungen, Classic-Rock-Zitate – aber im Del-Rey-Gewand. Also kein Powersound, sondern Pop Noir: verschleppte Rhythmik, mal entrückter, mal wie beiläufiger, vernuschelter Gesang. Songs, die kaum etwas mit zeitgemäßem Chartpop zu tun haben und deshalb so gut sind: Die Single "West Coast" (erstaunlich auch, wie ein beliebiger Begriff aus dem Munde Lana Del Reys sofort etwas Geheimnisvolles, Verwunschenes und auch Verdammtes bekommt) zum Beispiel fährt auf einem unmerklich treibenden Beat, darüber schweben Glocken, Geigen, Gitarren und Del Reys lakonische Vocals, "you got the music in you, don´t ya?" - frau sieht die abschätzig hochgezogene Augenbraue bildlich vor sich.
Alle Stücke haben etwas Morbides, Kaputtes, dem Verderben geweihtes an sich: ob das Crystals-Zitat ("he hit me and it felt like a kiss...") im Titelsong, oder die Anti-Hollywood-Hymne "Fucked My Way Up to the Top" (auf dem Cover natürlich mit Sternchen hinter dem "F") - das singende Ich wandelt stets am Abgrund und scheint genau das zu genießen. "Brooklyn Baby" handelt von Lou Reeds Tod: Just an diesem Tag saß Lana Del Rey im Flugzeug nach New York, um mit Reed einen Song aufzunehmen. Titel wie "Sad Girl", "Pretty When You Cry" und "Cruel World" sprechen für sich – und sind in ihrer graziösen Melancholie einzigartig. Dass Del Rey fast eine Oktave höher singt als auf "Born To Die" verstärkt den Gefallener-Engel-Effekt – und überhaupt, die Stimme: Lana Del Rey beeindruckt nicht durch ihr modulationsfähiges Organ. Ihr Gesang ist Abgesang einer dunklen, unverwechselbaren Sirene.
AVIVA-Tipp: Lana Del Reys Thema ist die Kehrseite des Amerikanischen Traums: Das Leben in den Vorstädten, der Wunsch nach Beachtung und Ruhm, die Abstürze und die Einsamkeit. Von daher passt Del Rey hervorragend zu Brian Wilson, der am American Way of Life beinah zugrunde gegangen wäre. Zwei Verlorene, die nur in der Musik Heilung finden.
Lana Del Rey im Netz:
www.lanadelray.com
Lana Del Rey
Ultraviolence
12 Tracks
Label Vertigo/Universal, VÖ 13.06.2014
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Lana Del Rey - Born To Die